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Wochenbettdepression (postpartale Depression)
Lara Wernli • 11. August 2025
Wenn nach der Geburt statt Glück plötzlich Traurigkeit, Ängste und Schlaflosigkeit überwiegen, fragen sich viele Mütter: Handelt es sich noch um den Babyblues oder ist es bereits eine postpartale Depression? Rund 15 % aller Mütter sind davon betroffen. Bis zur Diagnose vergeht oft viel Zeit, begleitet von Schuldgefühlen und dem Gefühl, zu versagen. Lesen Sie, woran man eine postpartale Depression erkennt, welche Ursachen sie haben kann und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
Ist es nicht «nur Babyblues»?
Nicht alle Mütter fühlen sich nach der Geburt sofort rundum glücklich. Stattdessen treten bei vielen in den ersten Tagen Traurigkeit, Erschöpfung oder innere Unruhe auf, typische Anzeichen des sogenannten Babyblues, der meist zwischen dem dritten und fünften Tag beginnt. Ausgelöst wird er durch hormonelle Veränderungen und die emotionale Umstellung auf den neuen Alltag mit Kind.
In der Regel verschwindet der Babyblues nach wenigen Tagen von selbst. Halten die Symptome jedoch länger als eine Woche an oder nehmen zu, kann eine postpartale Depression oder eine körperliche Ursache wie Eisenmangel oder eine Schilddrüsenerkrankung dahinterstecken. Sprechen Sie in diesem Fall mit Ihrer Hebamme oder Ärztin. Eine frühzeitige Abklärung kann entscheidend sein.
Symptome
Eine postpartale Depression zeigt sich vor allem durch folgende Kernsymptome:
- An meisten Tagen eine depressive Verstimmung
- Deutlich vermindertes Interesse oder Freude an den meisten Aktivitäten
zusätzliche Symptome:
- Starke Gewichtsveränderungen (mehr oder weniger als 5 % des Körpergewichts)
- Schlafprobleme (entweder Ein- und Durchschlafstörungen oder übermäßiges Schlafbedürfnis)
- körperliche Unruhe oder auffällige Verlangsamung
- Erschöpfung oder ständige Müdigkeit
- Starkes Gefühl der Wertlosigkeit oder übertriebene Schuldgefühle
- Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder klar zu denken
- Wiederkehrende Gedanken an Suizid
Ursachen
Hormonelle Ursachen:
Nach der Entbindung kommt es zu erheblichen Schwankungen im Hormonspiegel der Mutter. Zwar sind die genauen Mechanismen noch nicht vollständig geklärt, doch es gilt als erwiesen, dass hormonelle Umstellungen die Anfälligkeit für psychische Erkrankungen erhöhen und zur Entstehung einer postpartalen Depression beitragen können.
Psychische Ursachen:
Frauen, die bereits vor der Schwangerschaft an einer Depression litten, haben ein erhöhtes Risiko, nach der Geburt erneut zu erkranken. Häufig treten in dieser sensiblen Lebensphase auch frühere, nicht verarbeitete seelische Belastungen wieder in den Vordergrund. Zudem kann eine genetische Veranlagung eine Rolle spielen: Wenn psychische Erkrankungen in der Familie vorkommen, steigt die Wahrscheinlichkeit, im Wochenbett eine Depression zu entwickeln.
Ursachen im Umfeld:
Die Geburt eines Kindes verändert das Leben grundlegend. Rollen und Beziehungen verschieben sich. Eine berufstätige Frau wird plötzlich Mutter und muss sich in ihrer neuen Rolle erst zurechtfinden. Auch Partnerschaft, Freundschaften und familiäre Beziehungen werden neu definiert, was anfangs verunsichern kann.
Viele Mütter setzen sich selbst unter Druck, allem gerecht zu werden, und entwickeln Schuldgefühle. Fehlt zudem Unterstützung aus dem Umfeld, sowohl emotional als auch praktisch, steigt das Risiko für eine postpartale Depression. Erschwerend kommen oft Erschöpfung, Isolation und zusätzliche Belastungen wie finanzielle Sorgen hinzu.
Ursachen in
Zusammenhang
mit
der
Geburt:
Komplikationen in der Schwangerschaft oder eine ungewollte Schwangerschaft können das Risiko für eine postpartale Depression erhöhen. Auch belastende Geburtserlebnisse – egal, wie schwer sie empfunden werden – spielen eine Rolle. Selbst eine sehr schnelle Entbindung kann das Gefühl auslösen, überrumpelt zu sein und die Kontrolle verloren zu haben. Ein Kaiserschnitt gilt ebenfalls als Risikofaktor. Im Wochenbett können zusätzliche Belastungen wie körperliche Beschwerden oder Stillprobleme hinzukommen.
Nach dem Abstillen sinkt zudem der Endorphinspiegel. Diese stimmungsaufhellenden Hormone fehlen dann, was unter Umständen eine Depression begünstigen kann.
Verlauf
In vielen Fällen klingt eine postpartale Depression nach vier bis sechs Monaten ab. Manche Symptome können jedoch noch länger bestehen und sich über ein Jahr hinziehen. Die Prognose ist insgesamt gut – in der Regel erholen sich Betroffene vollständig.
Folgen für das Kind
Wird die postpartale Depression nicht behandelt, können bei dem Kind unter anderem folgende Probleme auftreten:
- Schwächere Bindung zwischen Mutter und Kind
- Verzögerte kognitive oder emotionale Entwicklung
- Gesteigerte Unruhe und Unsicherheitsgefühle
- Schwierigkeiten beim Schlafen
- Erhöhte Stressanfälligkeit
Behandlung: hilfreiche Tipps
Wenn Sie nach der Geburt unter anhaltender Niedergeschlagenheit leiden, können folgende Schritte unterstützen, vor allem bei leichten Formen einer postpartalen Depression:
- Akzeptanz: Nehmen Sie die Erkrankung ernst, das ist die Grundlage für Besserung.
- Geduld: Setzen Sie sich kleine, realistische Ziele und reduzieren Sie den Druck auf sich selbst.
- Erholung: Planen Sie bewusst Pausen ein, schlafen Sie so oft wie möglich und schaffen Sie Momente der Entspannung, etwa mit Atemübungen, Yoga oder Meditation.
- Gesunde Ernährung: Essen Sie ausgewogen und regelmäßig, um Körper und Geist zu stärken.
- Bewegung: Sanfte Aktivität wie Walking oder Training auf dem Standfahrrad wirkt stimmungsaufhellend. Nach etwa sechs bis acht Wochen ist meist auch Rückbildungsgymnastik möglich. Sprechen Sie vorher mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.
- Organisation: Strukturieren Sie Ihren Tag und holen Sie sich Hilfe, zum Beispiel im Haushalt oder beim Einkaufen.
- Austausch: Reden Sie offen mit Partner, Freunden oder anderen Betroffenen über Ihre Gefühle.
Sollten sich die Symptome verschlimmern, suchen Sie unbedingt ärztliche oder hebammengeleitete Unterstützung. Je nach Bedarf können eine Psychotherapie oder auch Medikamente wie Antidepressiva sinnvoll sein.
Unterstützung durch Angehörige
Wenn Ihre Partnerin oder Ihr Partner an einer postpartalen Depression leidet, können Sie auf verschiedene Weise helfen:
- Begegnen Sie der Situation mit Geduld und Verständnis.
- Hören Sie aufmerksam zu und suchen Sie gemeinsam nach Lösungen.
- Lenken Sie den Blick auf positive Entwicklungen, loben Sie und zeigen Sie Ihre Wertschätzung.
- Übernehmen Sie Aufgaben oder organisieren Sie zusätzliche Hilfe.
- Verzichten Sie darauf, in einer Überforderungssituation wichtige Entscheidungen zu erzwingen.
- Begleiten Sie zu Arztterminen und sprechen Sie gemeinsam über den Behandlungsverlauf sowie Fortschritte.